8_PhilippGufler_TE1 - Installationsansicht Kunsthalle Mainz: Philipp Gufler: Dis/Identification: Philipp Gufler, The Beginning of Identification, and its End, 2024.
Zwei-Kanal Video Installation (19 min). Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und BQ Berlin.

Philipp Gufler: Confessing Weakness
13. 7. – 31. 8. 24

Ort
Galerie Kunst im Traklhaus
Datum
13. 7. – 31. 8. 24
Öffnungszeiten
Dienstag–Freitag 14-18 Uhr, Samstag 10-13 Uhr

In den künstlerischen Arbeiten Philipp Guflers verbinden sich vergangene und gegenwärtige Stränge vulnerabler Lebenswelten. Seine detaillierte Auseinandersetzung mit Bildern und Geschichten, ausgehend von Archiven, Radio- und TV-Aufzeichungen, Literatur und Popkultur, erweist sich als sensible Strategie, verschiedene Beziehungsweisen zu erforschen. Dafür bedient Gufler verschiedene Narrative und Medien wie Film-Essays, Performances, bildhafte Objekte in Form bedruckter Spiegel und siebgedruckter Textilien.

Eigens für seine Einzelausstellung Confessing Weakness in der Galerie Kunst im Traklhaus einer produziert der Künstler in seiner fortlaufenden Quilt-Serie eine neue Arbeit zum Schauspieler Helmut Berger. In diesen Quilts demonstriert Gufler, dass sich Geschichten von Menschen, Bewegungen und Orten potenziell flüchtig und einem kontinuierlichen Wandel innerhalb ihrer Rezeption ausgesetzt sind.

Die Videoarbeit The Begining of Identification, and its End (2024) des Künstlers, zeigt eine Synthese aus persönlicher Performance und Archivarbeit, die sich mit Themen von gleichgeschlechtlicher Intimität und Sichtbarkeit auseinandersetzt. Guflers eigener Körper gilt ihm als Intial zur Auseinandersetzung mit einer Kulturgeschichte normativ abweichender Identitäten. Mediale Bilder rechtspopulistischer und homosexueller Politiker*innen, archivarische Filmaufnahmen zu lesbischen Feiern und historische Texte zur Entkriminalisierung gleichgeschlechtlicher Liebe, verschränken sich in atmosphärischen Klängen zu einer Geschichte über körperliche Verletzbarkeit.

Erweiternd zur Filmarbeit setzt sich Philipp Gufler in einem dritten Korpus weiter nicht allein mit Prozessen von Identifikation, sondern auch Disidentifikation auseinander. In eher schimmernden, als reflektierenden, je unterschiedlich gefärbten Spiegelkästen, porträtiert der Künstler Selbst-und Fremdbilder pluralistischer Subjektive und Umgebungen. Der Blick auf und in die Farbfelder widersetzt sich eindeutigen Festschreibungen und zeugt von einem fragilen Wechselspiel aus entblößenden und schützenden Identitätsprozessen.

Die Ausstellung versammelt zentrale Arbeiten des Künstlers in denen er jenseits von einfachen Identitäts- und Rollenzuschreibungen eine sorgsame Auseinandersetzung mit den soziokulturellen Mechanismen und historischen sowie politischen Ereignissen erprobt, die hinter nonkonformistischer Sexualität und Lebensweisen stehen. Naturalisierte Vorstellungen von Lebensweisen geraten ins Wanken, lösen sich und weichen auf, wenn Philipp Gufler durch seine Arbeit mit selbstorganisierten Archiven, wie dem Forum Queeres Archiv München (FQAM), abweichende Erzählungen und Perspektiven aufdeckt. Die künstlerische Tätigkeit Guflers zeigt: Geschichte und Identität müssen als dynamische Konzepte schwankender Einschreibungen und Verflechtungen verstanden werden. Zentral für seine Praxis ist ein häufig persönlicher Zugang, der sich in seiner künstlerisch-aktivistischen Beschäftigung gezielt mit den Widersprüchen in chronistischen Ereignissen und der Dokumentation historischer Persönlichkeiten auseinandersetzt. Seine einfühlsame Vorgehensweise im künstlerischen Prozess zeugt von Nähe und Verständnis diverser Schicksale und vermag die Agenden etablierter, lange verinnerlichter Erzählungen zu reflektieren und aufzubrechen. Dabei verhandelt der Künstler in Auseinandersetzung mit seinem eigenen Körper, als Subjekt zahlreicher Einschreibungen, stets auch das Risiko der eigenen Verwundbarkeit.

Veranstaltungen

31. August 2024 / 12:30 Uhr
Filmscreening Gespräch mit Albert Knoll, 2023 von Philipp Gufler mit anschließendem Talk zwischen Philipp Gufler und Conny Felice (HOSI Salzburg). Im Rahmen des Pride Festivals 2024.
Filmscreening / Gespräch
Galerie Kunst im Traklhaus

Philipp Gufler

Philipp Gufler erforscht Fragen queerer Bildwelten und stellt die westliche Geschichtsschreibung infrage, in der Heterosexualität und ein binäres Geschlechtersystem die soziale Norm darstellen. In seiner künstlerischen Praxis verwendet er verschiedene Medien, darunter Siebdrucke auf Stoffe oder Spiegel, Künstlerbücher, Performances und Videoinstallationen. In seinen Quilts, einer fortlaufenden Serie von Siebdrucken, nimmt Gufler Bezug auf queere Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Orte queeren Lebens, die in schriftlich festgehaltenen Erinnerungen oft nicht oder kaum sichtbar sind. Die Quilts werden zu einem alternativen Archiv, das Raum zur generationsübergreifenden Erinnerung gibt.

Philipp Gufler lebt und arbeitet in Amsterdam und München. Er studierte an der Akademie der Bildenden Künste in München und nahm an den Residenzprogrammen De Ateliers in Amsterdam (2015-17), Skowhegan School of Painting & Sculpture in Maine (US) (2019), Delfina Foundation in London (2021) und Launch Pad LaB in Champagne-Mouton (FR) (2023) teil. Er ist seit 2013 aktives Mitglied am selbst-organisierten Forum Queeres Archiv München (DE).

Er ko-kuratierte die Ausstellungen Exzentrische 80er: Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen, Rabe perplexum und Kompliz*innen aus dem Jetzt im Lothringer 13, München; Kunsthaus Hamburg (DE); Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten, Berlin und organisierte die Ausstellung Substitutes im W139 in Amsterdam.

Ausstellungen

Ausgewählte Einzelausstellungen
2024 Dis/Identification, Kunsthalle Mainz (DE). 2023Brandhorst Fall Commission, Museum Brandhorst, München. 2022 Unterwerfungen, Kunstraum der Leuphana Universität, Lüneburg (DE). 2020Autoerotismus, Kevin Space, Wien. It is getting alive, BQ, Berlin. 2019 Pleasure Pain, Marwan, Amsterdam.

Ausgewählte Gruppenausstellungen
2024 Soft Power, DAS MINSK, Potsdam (DE). 2023Tulca Festival of Visual Arts, Galway (IE). Actually, the Dead Are Not Dead, Part III, Württembergischer Kunstverein, Stuttgart (DE). 2022 To Be Seen. Queer Lives 1900 - 1950, NS-Dokumentationszentrum, München. 2021 Sweat, Haus der Kunst, München. 2020 Andere Geschiedenis volgens Dirkje Kuik en Philipp Gufler, Centraal Museum, Utrecht (NL). 2019Liebe und Ethnologie, Haus der Kulturen der Welt, Berlin. Maskulinitäten, Kunstverein Düsseldorf. 2017Bei Cosy, Rongwrong, Amsterdam.

Publikationen

Künstlerbücher/Publikationen
2023 Cosy bei Cosy. 2023 A Shrine To Aphrodite. 2020 Quilt #01–#30. 2020 Lana Kaiser. 2017 I Wanna Give You Devotion. 2017 Indirekte Berührung. 2014/2021 Projektion auf die Krise.
Im Juni 2024 erscheint die erste Monografie von Philipp Gufler u.a. mit Texten von Karolina Kühn, Louwrien Wijers und Yasmin Afschar.